„Der Fall ist für uns klar“, sagte der Abendzeitung München zufolge eine Sprecherin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Kosovo sei ein sicheres Herkunftsland, Minderheiten könnten sich gegen Übergriffe wehren. Eine 23-jährige lesbische Geflüchtete war Donnerstag am frühen Morgen von der Polizei aus einem oberbayerischen Frauenhaus geholt und mit einer Sammelabschiebung über Wien in den Kosovo abgeschoben worden. „Dort war sie als lesbische Frau von Zwangsverlobung, familiärer Gewalt und Mord bedroht“, erklärte die Münchener Lesbenberatung LeTRa, die die Abgeschobene beraten und unterstützt hatte.
„Sie flüchtete aus ihrem Heimatland, da sie von ihrem Vater und Bruder aufgrund von ihrer lesbischen Identität zwangsverlobt wurde. Ihr Verlobter vergewaltigte sie über Monate hinweg. Von ihrer Familie wurde sie systematisch kontrolliert und misshandelt. Sie befreite sich aus diesem Gewaltverhältnis und versteckte sich in der Hauptstadt Pristina. Dort wurde sie jedoch von ihren Verwandten immer wieder aufgespürt und ihr Leben bedroht. Ihr gelang die Flucht nach Deutschland.“
Im Oktober 2015 waren – nach Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien im Jahr 2014 – auch Albanien, Montenegro und Kosovo in die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ aufgenommen worden. Asylanträge von aus diesen Ländern Geflüchteten werden – weil sie dort vermeintlich „sicher“ sind – im Allgemeinen in Schnellverfahren abgelehnt und sie wieder abgeschoben. Viele der aus den Balkanländern Geflüchteten sind Rom*nja, deren Diskriminierung und Verfolgung ebenso wie die anderer Minderheiten geleugnet wird.
Die Abschiebung der lesbischen Frau zeige, „wie unmenschlich unsere Asylpolitik inzwischen ist“, sagte Rita Braaz von der Lesbenberatung LeTRa. „Unsere Klientin wurde in ein Land abgeschoben, in dem sie vor dem Nichts steht und ihr Leben bedroht ist.“
Zurzeit versucht die Bundesregierung, auch noch Algerien, Marokko und Tunesien zu „sicheren“ Herkunftsstaaten erklären zu lassen, obwohl Homosexuelle in diesen Ländern Angriffen ausgesetzt sind und strafrechtlich verfolgt werden. Der Bundestag hat die Gesetzesverschärfung bereits gebilligt, aber im Bundesrat war nun mit Widerstand zu rechnen: Die eigentlich für heute geplante Abstimmung wurde daher verschoben, weil die Bundesregierung die absehbare Niederlage nicht hinnehmen wollte. Nun sollen „weitere Gespräche“ mit den nicht zustimmungswilligen Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung geführt werden. Diese „Gespräche“ werden natürlich an der Situation in den betroffenen Staaten nichts ändern, aber dem Willen der Bundesregierung nach möglicherweise an der Ablehnung der Bundesländer.
„Zwei schwule Männer werden überfallen und zusammengeschlagen. Anschließend verurteilt sie ein Gericht für ihre Sexualität“, wurde vor einigen Tagen die Lage in Marokko in der Frankfurter Rundschau geschildert. „Gleichgeschlechtlicher Sex wird dort nach Paragraf 489 des Strafgesetzbuches mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet. Marokko, das ist auch das Land, das nach dem Willen der Bundesregierung neben Tunesien und Algerien demnächst zum sicheren Herkunftsland erklären werden soll. Doch in Marokko droht Homosexuellen und allen anderen sexuellen Minderheiten Gefahr nicht nur vom Staat mit seinen Gesetzen und Sicherheitsbehörden.“ Regelmäßig fänden in Marokko brutale Übergriffe auf Homosexuelle statt. Regelmäßig gäbe es Gerichtsverfahren, berichtet in dem Artikel Amine, ein schwuler Aktivist des Kollektivs Akaliyat, einer kleinen Gruppe von rund zehn Personen, die sich für die Rechte von Homosexuellen im Königreich Marokko einsetzt.
Für ihn klinge das Vorhaben, Marokko zu einem sicheren Herkunftsstaat zu erklären, schlicht absurd, weiß die Frankfurter Rundschau als Fazit des Artikels. „Ich glaube nicht, dass man in Deutschland weiß, was in Marokko wirklich vor sich geht“, sagt Amine. Ansonsten könne man politisch nicht so handeln, wie es die Bundesregierung vorhat.
Diese optimistische Sichtweise, dass flüchtlingspolitische Verschärfungen und damit verbundene Hetze im Grunde eine Frage von Unkenntnis der Situation in den Fluchtländern sind, lässt sich von hier aus allerdings nicht teilen.